Peter Gress Portrait

10 Fragen an Peter Gress

Peter Gress ist bereits seit 42 Jahren im schwäbischen Esslingen als Friseur tätig. Sowohl bei Gress Friseure als auch in seiner Unternehmensberatung „Peter Gress Führungsperspektiven“ legt er größten Wert auf Sorgfalt und Qualität. Neben Unternehmensführung liegt ihm besonders das Thema Ausbildung am Herzen.

Wir bedanken uns bei Herrn Gress, dass er sich die Zeit für die Beantwortung unserer 10 Fragen genommen hat!

Interview mit Peter Gress aus Esslingen am Neckar

1. Hallo Herr Gress, bitte stellen Sie sich und Ihre Dienstleistungen kurz vor!

PG: Ich bin seit 1973 Friseur und war viele Jahre als Bühnenakteur für Pivot Point USA und Schwarzkopf tätig – seit 1986 mit Salons in Esslingen selbstständig. 2003 folgte die Zusammenführung der Salons in einen AVEDA Concept Salon mit heute 18 Mitarbeitern. Meine Schwester ist für die internen Salonabläufe zuständig, ich kümmere mich ums Marketing, PR, Strategie und Teamentwicklung

Unsere Spezialisierung liegt bei der Haarfarbe, Schwerpunkt auf Blond. Alle Stylisten und Master haben den Aveda Pure Colorist erfolgreich abgeschlossen, für den Nachwuchs startet Anfang 2016 der Junior Colorist. Haarschnitte, Pflege, Styling, Bräute, Hochstecken und Augenpflege sind weitere Bereiche die wir gezielt schulen.

Wir konzentrieren uns auf ausgewählte Dienstleistungen, die wir durch Schulungen kontinuierlich weiter entwickeln. Ich mag kein Bauchladen für alles sein, wir grenzen unser Leistungsspektrum ein. Wir haben nicht den Anspruch, für alles eine Lösung zu haben. Was wir nicht selbst erledigen können (bspw. Perücken), decken wir durch Kooperationen ab.

2. Welchen Stellenwert sollte das Thema Marketing im Friseursalon einnehmen?

PG: Einen großen! Wenn ich etwas kann und anzubieten habe, muss ich es verkaufen. Wenn ich vor mich hin „wurschtle“ und dem Markt keine Informationen gebe, dass es mich und meine Leistung gibt, kann ich auch keine Resonanz erwarten. Chefsache!!! Dabei ist auf einen ausgeglichenen Medienmix aus Print, Webseite und sozialen Medien zu achten. Bestandskundenpflege, Neukundenakquise und Kundenbeziehung über die Salontür hinaus gehören ebenfalls in diese Kategorie.

Seit Mai 2015 arbeiten wir mit einer professionellen PR-Agentin, was sich als Glücksgriff herausgestellt hat. Unsere Darstellung nach außen wirkt wesentlich professioneller und das Unternehmen – so das langfristige Ziel – wirkt mehr wie aus einem Guss.

3. Welche Rolle spielen dabei die Onlinemedien?

PG: Für mich sind die Onlinemedien notwendige Begleitmusik. Durch Facebook bekommen Kunden Einblicke in den Salon: Geschichten rund um Aktionen und Mitarbeiter (das läuft am besten) erzählen und dadurch Kontakt zu den Fans halten – das ist nützlich. Geld verdienen? Eher nicht. Für mich hat Facebook nur unterstützenden Charakter für Aktionen, Events, Angebote etc.. Und keiner soll denken, Facebook wäre kostenlos.

Instagram und Pinterest funktionieren auch sehr gut. Ersteres für vom Team erstellte Haarfarben und Styles, zweiteres für Frisurenvorschläge (kostenlos und extrem einfach zu erstellen) für das iPad.

Personalisierte E-Mail Newsletter sind ein guter Schlitten für In-Salon-Aktionen, Angebote und Specials, sollten aber nicht zu oft verschickt werden. Zu viele Newsletter verstopfen den Posteingang. Der häufige Versand von Newslettern ist deshalb kontraproduktiv.

4. Auch die Friseurbranche hat ein Nachwuchsproblem. Wie finden Friseursalons geeignete Friseurauszubildende?

PG: Ein Betrieb ohne definierte Kultur und aktiv kommuniziertes Gesamtkonzept wird gar keine Azubis mehr bekommen. Friseure müssen umdenken. Sie können nicht mehr auf den Azubi-Zufallstreffer hoffen, der zufällig in den Salon kommt. Die Betriebe müssen sich bei ihren potentiellen Bewerbern ebenso bewerben. Dazu muss man die Beziehungen zu den Schulen pflegen und die jungen Leute als Modelle für Übungsabende und Seminare gezielt ansprechen. Praktika über das ganze Jahr, Bewerbungstraining mit den Schülern in den Schulen (Bildungspartnerschaften können über die HWK organisiert werden), Informationsabend für die Eltern der Schüler – es gibt viele Möglichkeiten das Unternehmen zu präsentieren, aber sie verlangen logischerweise mehr Einsatz als man das bisher gewohnt war.

Bis 2025 werden 6,5 Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen. Es braucht nicht viel Weitsicht, um zu begreifen, dass dieser Mangel unsere Branche noch härter treffen wird als bisher. Ich sehe das als Teil eines längst überfälligen Branchen-Reinigungsprozesses und hoffe, dass wir beim Zapfenstreich nicht mit hinausgewischt werden.

Unsere Ausbildungsseite wird sehr gut besucht. Seit April 2015 besteht die Initiative für Ausbildung im Friseurhandwerk (hier können sich Betriebe profilieren und über die Akzeptanz der zwölf Kriterien am Ausbildungsmarkt werben), die wir am 8.11.2015 auf der Haare in Nürnberg vorstellen werden.

5. Wie werden und bleiben Friseurunternehmen als Arbeitgeber attraktiv?

PG: Das ist ein großes Thema. Attraktivität kommt nicht aus dem Altbekannten. Das müssen vor allem die Verbände erkennen und akzeptieren. Bis das allerdings flächendeckend passiert, ist die Sau schon durchs Dorf. Wir brauchen JETZT neue Impulse! Da werden wir etwas radikaler rangehen müssen. Weniger Salons, wesentlich höhere Qualität durch konsequentere Aus- und ständige Weiterbildung (rudimentär ausgedrückt). Der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wird das mit der Anzahl der Salons ohne Zutun erledigen. Aber diejenigen die im Spiel bleiben wollen, müssen jetzt anfangen sich neu aufzustellen und ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen.

Die Open Book Strategie wird immer wichtiger werden. Wenn Mitarbeiter die Zahlen des Unternehmens nicht kennen, haben sie keinen Bezug zu dem was sie machen. Sie können ihr Unternehmen nicht verstehen, nicht die Handlugen noch die Art der Umsetzung. Nur wer das Business versteht, kann motiviert arbeiten. Wer nicht versteht, stellt keine Fragen und wer keine Fragen stellt, kann nicht verantwortungsvoll arbeiten.

Mitarbeiter wollen verstehen, warum sie tun, was sie tun. Sie suchen Sinn in ihrer Arbeit. Sie wollen wissen, warum sie tun sollen, was sie tun. Sie wollen sich in Projekten beweisen und brauchen Eigenverantwortung. Sie müssen sich in ihrem Beruf spüren und sie müssen Geld verdienen. Damit das passiert müssen Qualität und Preise nach oben (ebenfalls rudimentär).

Es gibt nicht die eine Möglichkeit. Das Problem ist sehr komplex. Es muss von mehreren Seiten angegangen werden. Das Thema ist bei uns dauerpräsent, es wird diskutiert, was wir selber tun können und wo wir Kooperationen suchen müssen. Unser Ziel muss die Durchsichtigkeit der Zahlen werden. Unser Ziel muss auch die vollständige Wahrheit sein, positiv und negativ. Die Schwarzgeldbuden werden das natürlich weder wollen noch können. Die unternehmerisch arbeitenden Betriebe sollten aber darüber nachdenken.

6. In welchem Zusammenhang sehen Sie Dienstleistungsqualität und Qualität der Ausbildung?

PG: Das ist nicht voneinander zu trennen. Die fehlende Qualität der Fachkräfte hat uns während der letzten 25 Jahre dorthin gebracht, wo wir jetzt stehen. Die Situation ist nicht gut. Sie hat sich durch Nachlässigkeit vieler Ausbilder zu genau dem Stand entwickelt, den heute alle beklagen. Ausbildung ist der Schlüssel zur Zukunft unseres Berufes. Das haben viele Kolleginnen und Kollegen begriffen, aber es besteht eine große Unsicherheit über eine gemeinsame Richtung. Jeder sucht und versucht und genau das finde ich toll. Nur durch Experimentieren zeigen sich neue Wege. Die Richtung ist jedem klar, aber die Art wie wir dorthin kommen ist diffus. Aber das wird sich geben.

7. Was beinhaltet für Sie eine zeitgemäße Friseurausbildung?

PG: Die allgemeinen fachlichen Inhalte sind ja in der Ausbildungsverordnung verankert, die Spezialisierungen bzw. Wahlqualifikationen decken noch zusätzliche oder intensivierende Fertigkeiten ab. Die fachlichen Inhalte sind damit ausreichend beschrieben.

Punkt 1:

Was heute viel, viel stärker gewichtet werden muss ist die Kommunikation – im Speziellen die Beratung. 80 Prozent der Kunden hätten gerne eine ausführliche Beratung, knapp 30 Prozent erhalten eine solche. Die 50 Prozent dazwischen sind die potentiellen Wechselkunden, die sich bei der nächstbesten Gelegenheit von Friseur/in und Salon verabschieden. Meist läuft die Beratung so ab, dass der Friseure redet und die Wünsche der Kundin die zweite Geige spielen. Zu schnell, zu oberflächlich und wenig professionell.

Punkt 2:

Weiterhin müssen wir wesentlich mehr Fokus auf die weichen Faktoren, die Schulung der sozialen Kompetenz, legen. Ich bin extrem empfindlich hinsichtlich der Art und Weise,  wie ich in einem Restaurant, einem Verkaufsladen oder einer Informationsstelle empfangen und behandelt werde. Freundlichkeit, ehrliches Interesse am Anliegen von Kunden und die Bereitschaft zu unterstützen sind für mich grundlegend wichtig für den Geschäftserfolg. Wenn einer dieser drei Faktoren in einem Geschäft meiner Wahl nicht vorhanden ist, gehe ich dort nicht mehr hin. Das geht (leider) ganz schnell, wäre aber einfach zu verhindern, wenn die Mitarbeiter darauf sensibilisiert und geschult würden.

Punkt 3:

Chefs und Führungskräfte müssen regelmäßig mit ihren Mitarbeitern reden. Über Zahlen, Befinden, Ziele, Werte. Viele Chefs kennen ihre Mitarbeiter nicht und wissen nicht wie sie ticken. Die Mitarbeiter erhalten keine Jahreszielpläne, es gibt keine Umsatzbesprechungen und viel zu wenig Team-Meetings. Ohne Kommunikation mit den Mitarbeitern weiß ein Chef nicht, wo spezielle Stärken seiner Mitarbeiter liegen – und wenn er das nicht weiß, kann er sie nicht nutzen. Die Beschwerde vieler Chefs, ihre Mitarbeiter wären mit nichts zu bewegen, erwächst genau aus diesem Punkt. Hier müssen Chefs dringend umdenken, denn einer der Kernpunkte der Zukunft, ist die Fähigkeit des Unternehmens seine Mitarbeiter so lange wie möglich an sich zu binden.

8. In Ihrem eigenen Salon bilden Sie in der Privaten Dualen Ausbildung zum Beauty Artist aus. Was genau bedeutet dies?

PG: Es bedeutet, dass unsere Azubis dann in die Schule gehen, wenn sie am meisten Input brauchen und dann im Salon sind, wenn sie am meisten können. Im ersten Jahr sind sie 4×4 Wochen in der Schule, im zweiten Jahr 2×4 Wochen und im dritten Jahr sind sie bis auf 1×4 Wochen im Salon und können Kunden bedienen.

Durch die konzentrierte und absolut praxisnahe Schulung von Techniken sind die jungen Leute schneller in der Lage, hochwertige Services an Kunden durchzuführen. Sie färben, strähnen und fönen unter Anleitung vom ersten Tag an. Nach 18 Monaten findet unsere interne Prüfung statt. Danach sind sie Junior-Stylisten im Coaching und dürfen für einen vergünstigten Preis Kunden bedienen. Der Durchschnittsumsatz eines Azubis im dritten Jahr beträgt rund 4.500 Euro. Das reicht, um die höheren Ausbildungskosten gegenzufinanzieren und bietet den jungen Friseuren die Chance, sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen und so nach der Ausbildung die Übernahme ins Team zu finanzieren.

Ich stelle immer wieder die Frage: Ist die Berufsschule heute überhaupt noch in der Lage, die notwendige fachliche und menschliche Qualität zu liefern? Das ist sehr stark von der Leistung der Lehrer abhängig. In einigen Schulen sind motivierte Lehrkräfte am Steuer, in anderen dämmern sie dem Ruhestand entgegen. Dabei ist die duale Ausbildung ein tolles System, aber flächendeckend wird es dem Anspruch nicht mehr gerecht, die Qualität zu liefern, die es heute in einem Salon mit anspruchsvollen Kunden braucht. Und wenn ich so genannte Fachkräfte schon selber nachschulen muss, kann ich auch gleich den alternativen Weg zum staatlich dualen System ausprobieren und einen Teil der anfallenden Kosten sparen. Dass die Pivot Point Schule in Obrigheim durch Misswirtschaft insolvent wurde hat nichts mit der Qualität der privaten dualen Ausbildung zu tun.

9. Welche Weiterbildungsmöglichkeiten stehen Ihren ausgelernten Friseuren offen?

PG: Wir haben dieses Jahr unser gesamtes Stylisten-Team als Aveda Pure Colorists ausbilden lassen. Summa summarum war das eine Investition von rund 30.000 Euro, die sich aber schon während der Maßnahme über sechs Monate hinweg teilweise refinanziert hat. Wir haben unser komplettes Farbangebot überarbeitet und unsere Preise durch diese alternativen Angebote teils um satte 50 Prozent erhöht. Der nächste Schritt ist die Ausbildung aller Azubis zu Junior-Coloristen als Vorstufe zum Pure Colorist. Damit ist der Kreis geschlossen.

Weiterhin steht allen Stylisten das Seminarangebot der AVEDA Academy offen. Haarschnitte, Styling und Business-Grundseminare wie Kennzahlen für Mitarbeiter stehen jedem Teammitglied nach Absprache und Bildungsplan offen. Salonseminare zu organisatorischen Belangen und ein betriebliches Gesundheitswesen in Kooperation mit der IKK runden das Angebot ab.

10. Sie haben im Jahr 2015 die „Initiative für Ausbildung“ gegründet. Welche Ziele verfolgen Sie hier?

PG: Wir wollen mindestens 50 Salons als Teilnehmer erreichen, die nach den festgeschriebenen zwölf Kriterien qualitativ hochwertig auszubilden. Wir entwickeln Modelle zur Akquise von Auszubildenden, zur Spezialisierung von Mitarbeitern und Konzepte für Azubi-Projekte, innerhalb derer sie zu eigenständiger Handlung angehalten werden. Darauf freue ich mich sehr, weil es meine Einstellung zur Open Book Strategie unterstützt.

Die Azubis der Initiativen-Salons haben die Möglichkeit andere Salons eine Woche lang im Rahmen eines Azubi-Austauschs zu besuchen. So erfahren sie wie in anderen Salons gearbeitet wird und bekommen einen weiteren Horizont.

Generell wollen wir mit der Initiative eine Marke schaffen, die hohe Qualität signalisiert. In Deutschland gibt es abzüglich aller Filialisten rund 1.600 Friseurbetriebe in der von uns angestrebten Umsatzgröße. Ein gewisses Volumen ist notwendig, um die Ausbildung auch im Tagesablauf im Salon und während der Trainingsabende sicher zu stellen. Jährliche Ausbilder-Meetings und ein Ausbildungs-Symposium geben Einblicke in Führung, Psychologie und Arbeitsmarktmanagement.

Peter Gress Friseure Salonprofil